Erst der Verhandlungsmarathon mit Griechenland, dann die Flüchtlingskrise… – und das alles nach den politischen Pleiten in der Atomfrage, in der Homo-Ehe und dem Personaldesaster innerhalb der eigenen Partei. Garniert wird die Kumulation der unlösbaren Aufgaben mit Bürgerkriege in der Ukraine und Syrien, einer ungelösten Russland-Debatte und der VAG-Krise. Da hinzu gesellen sich so kleine Nadelstichthemen wie Doktorarbeit von der Leyen oder das Versagen des Innenministers, der ja bereits als Verteidigungsminister scheiterte… Allem Anschein zufolge ist die Kanzlerin nicht mehr in der Lage, die politischen Gewichte in der Regierung, die eigene Personalkonstellation und die Stimmung in der Bevölkerung im Griff zu behalten. In den aktuellen Interviews wirkt Angela Merkel angeschlagen, überfordert und konzeptlos. 10000 Flüchtlinge täglich – das verkraftet wohl kein Politiker hierzulande. Vor allem nicht, wenn die eigenen Parteifreunde einem in den Rücken fallen und bereits hinter den Kulissen die Kanzlernachfolge unter sich ausmachen. Und da ist nicht nur die Rede von Bosbach und Seehofer. Nein, es regt sich Widerstand auf der ganzen Linie und der Versuch einer humanen Linie in der Flüchtlingsdiskussion entpuppte sich als Boomerang, der unserer höchsten politischen Kraft den Wind aus den Segeln genommen hat.
Es wäre beinahe müßig aufzuzählen, was im Endeffekt Merkel das Amt gekostet hat und was sie zum Rücktritt bewogen hätte. Die Gründe hierfür passen mittlerweile wohl kaum auf eine A4-Seite in 12-Punkt-Schrift – ohne doppelt zu schalten. Allein das Personalkarussell angesichts der Selektion in ihrer eigenen Partei, oder die Lobby- und Klientelübervorteilung, oder die 180-Grad-Drehungen in entscheidenden Themen (die sogenannte Bild-Zeitungs-Politik) – ja, es sind der Gründe viele, die einen Abgang der „mächtigsten Frau der Welt“ wahrscheinlich machen.
Viel interessanter ist, wie das Ausland darauf reagiert, dass eine Krise in einem fernen Bürgerkriegsland eine politische Führungskraft des Westens aus dem Amt wirft und wer dabei die größte Schuld hat. Sicherlich trug die Haltung zu Putin nicht dazu bei, dass es weltpolitische Lösungen geben könnte. Auch der Umgang mit den USA und der Abhöraffäre war kein Vorzeigeakt und zeigte deutlich auf, wo die Grenzen der Kanzlerin liegen. Mit einer Rautengeste allein kann man eben keine Mainstream-Themen aussitzen – da braucht es schon einen Wolfgangssee!
Wie wird wohl die Zeit nach Merkel werden? Wagen wir doch einen Ausblick, denn ein Comeback bei all‘ den anstehenden und immer weiter eskalierenden Themen und Problemen kann es für sie nicht mehr geben. Bis zu den Neuwahlen, die es unweigerlich geben wird, übernimmt der Siggi die Amtsgeschäfte. Natürlich werden Bosbach, Seehofer & Konsorten ihre Ansprüche nach dem Kanzlerposten offenkundig machen, was wiederum eine sofortige Auflösung der Koalition nach sich zöge. Der anstehende Wahlkampf würde dann eine Spaltung innerhalb der Gesellschaft auslösen und der Ruck nach Rechts nahe einer 10-Prozent-Hürde liegen. Die CSU wird sich angesichts der Populistik-Experten in den eigenen Reihen gut aus der Affäre ziehen und Rot-Rot-Grün hätte gute Chancen, zum ersten Mal in die Regierungsverantwortung zu ziehen. Denn schließlich kann es nicht in dem Interesse Deutschlands liegen, als fremdenfeindliches Land mitten in Europa, Antiflüchtlingsstimmung zu verbreiten.
Das Positive jedoch an all‘ den Neuerungen, die wohl bald auf uns zukommen, ist das Neue an sich. Denn das Alte war angestaubt und innovationslos, verwaltend und viel zu weit weg vom einzelnen Bürger. Ein Neuanfang schafft Raum für etwas Neues, das wir in der derzeitigen Situation in Europa dringend brauchen. Denn eines darf man nicht vergessen; wir erleben in der Flüchtlingsfrage nicht nur eine Spaltung Deutschlands, nein, wir erlebten in der Griechenland-Frage auch beinahe eine Spaltung Europas. Angela Merkel hat es mit ihrer stoischen Art beinahe geschafft, das Gebilde Europas aus den Fugen geraten zu lassen – und das nur durch Untätigkeit und mangelnder Entscheidungsfreudigkeit.
Stellen Sie sich mal vor, dass der gegenwärtige politische Führungsstil in Deutschland einfach so weitergeht – z.B. mit einer neue Amtszeit von Angela Merkel, die sich bereits als Kanzlerkandidatin proklamierte – ja dann Gute Nacht. Ihr Rücktritt steht kurz bevor. Da sind sich die Experten einig. Alles, was danach kommt, ist gut für eine Erneuerung in diesem Land. Denn für die Gegenwart und Zukunft ist Mut und Kreativität gefragt, nicht Verwalten und Aussitzen von Problemen!
Wer soll denn die Nachfolge nach Neuwahlen übernehmen?
Das ist eine ganz heikle Frage, schaut man auf die führenden politischen Köpfe in der aktuellen Regierung. Horst Seehofer ist zu alt und einen Bosbach als notorischer Nörgler will auch niemand haben. Gabriel hätte die leiblichen Ausmaße, aber hat er auch die machtpolitischen… Ganz schnell schießt einem da ein Söder in den Kopf, der über „Macher-Qualitäten“ verfügt. Nicht so charismatisch wie ein zu-Guttenberg, aber zumindest nicht mit einer getürkten Doktorarbeit belastet. Wir werden angesichts des Personalkarussells in der Kanzlerfrage unser blaues Wunder erleben und ungläubig mit dem Kopf schütteln. Merkel deckte über ein Jahrzehnt jede persönliche Profilierung auf großer Bühne zu und besetzte die vakanten Ämter mit absolut verlässlicher Zweitklassigkeit – das Dilemma ist nun perfekt – birgt aber Überraschungen. Also lassen wir uns doch überraschen!
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