AUGENBLICKE (CHARITY)

„Als diese kleinen schwarzen Hände aus den Fluten des Mittelmeers ragten, mich zwei große schwarze Kulleraugen nach Hilfe anflehten, da begriff ich mein Menschsein und bin dem Herrn jeden Tag aufs Neue dankbar dafür, mich für diesen Weg entschieden zu haben…“

Peter sitzt, so wie jeden Tag, vor seinem Computer, in seiner 3-1/2-Zimmer-Wohnung in Dresden, und verfasst Hassbotschaften gegen Ausländer, die er dann an seine „Freunde“ absendet. Mit seinen Kameraden, die er jeden Montag bei der Demo trifft, stimmt er sich über den Inhalt der Texte ab. Dunkelhäutige Menschen kennt er persönlich keine. Seine Kinder sind nach der „Wende“ zum Arbeiten in den Westen gezogen und seine Frau lebt neben ihm.., so dahin; so eben, wie es sich für eine „Frau gehört“.

Als Mbobo Indal und Nebali Sanger morgens im einzigen Bus des Tages in die nächstgelegene bayerische Stadt fuhren, da werden sie von Schulkindern gehänselt und beleidigt. „Ihr nehmt den Kindern die Sitzplätze weg…“ oder „Bei uns spricht man Deutsch…“ oder „Geht doch zurück in eure Heimat. Was wollt ihr denn bei uns?“ Die beiden Nigerianer waren über Jahre in muslimischer Gefangenschaft und wurden im Mittelmeer aus einem „Seelenverkäufer“ gerettet, bis sie über Italien und Österreich nach Deutschland und jetzt hier ins Dorf kamen. Keiner kennt ihre Geschichte… – nur die freiwilligen Flüchtlingshelfer, die nahezu vom gesamten Dorf beinahe täglich angefeindet werden…

Christian, Franz und Sepp sitzen jeden Freitag am Dorfstammtisch und werden nach der dritten Halbe äußerst redselig. „Vergasen müsste man das Pack..“ kommt dem einen oder anderen über die Lippen. „Und wer hilft uns. Und wer unterstützt uns bei der Wohnungssuche. Die bekommen Geld fürs Nichtstun und uns kürzt man sofort die Stütze – Noch eine Halbe bitte…“ Was Christian, Franz und Sepp nicht erwähnen, ist, dass sie bereits in der siebten, achten oder fünfzehnten Generationen im Dorf leben, immer sauber alles vererbt und geerbt haben und dass ein „Auswärtiger ein Zuagroaster“ ist und niemals ein Einheimischer nicht werden kann.

Esat und Ceylin sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien und kamen 2015 mit dem großen Flüchtlingsstrom über die Türkei nach Griechenland und dann über die noch geöffnete Balkanroute nach Deutschland. Heute leben sie in Leipzig, sprechen mittlerweile relativ gut deutsch und haben Arbeit gefunden. Sie verfolgen täglich die aktuellen Nachrichten. Hier wird über ihr weiteres Schicksal entschieden. Eine Planungssicherheit gibt es für sie nicht, denn jedes halbe Jahr wird darüber verhandelt und gestritten, ob die Lage in Syrien wieder sicher ist oder nicht. Viele Familienangehörige, Freunde und Bekannte verloren im Krieg oder auf der Flucht ihr Leben. In Leipzig selbst werden sie täglich angepöbelt…

„Als diese kleinen schwarzen Hände aus den Fluten des Mittelmeers ragten, mich zwei große schwarze Kulleraugen nach Hilfe anflehten, da begriff ich mein Menschsein und bin dem Herrn jeden Tag aufs Neue dankbar dafür, mich für diesen Weg entschieden zu haben…“

Durch das Internet und den sogenannten „sozialen Netzwerken“ ist es leicht geworden, seine Meinung ohne Widerspruch im Netz zu platzieren und andere als sogenannte „Follower“ für eine gesellschaftspolitische Sache zu gewinnen – sowohl für die gute als auch für die hetzerische Seite. Leider haben wir selbst, wie auch die Kontrollorgane unserer Republik, völlig den Durchblick und die Übersicht über den Schmutz dieser Technik verloren – das Gesamtkonzept Internet zerstört auf Raten unsere Demokratien und stärkt destruktive Kräfte. Ausgrenzung, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Gewalt und Krieg sind die Folge unseres extremen Kontrollverlustes und des absehbaren Staatsversagens…

Wie leicht ist es, stinkend faul auf dem Sofa zu sitzen und mit menschlich unterirdischem Gedankengut Menschen und leider eben vor allem unsere Jugend zu infizieren… Die soziale Ausgewogenheit und die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich eskaliert dann obendrein die Gesamtsituation.

Es gibt ein wenig Hoffnung, dass die „Internetgeneration“ den Umgang mit den digitalen Medien zunehmend kritischer sieht und sich untereinander entsprechend informiert und abspricht.

Es gibt ein wenig Hoffnung, dass gewisse Parteien und Gremien es anstreben, wieder die Kontrolle über die Publikationen des Netzes zurück zu gewinnen – leider ist aber eine Zensur das genau falsche Mittel…

Am wichtigsten jedoch scheint unsere eigene Einstellung zu sein und vor allem die immerwährende Frage, ob wir uns für den Weg der Liebe und der Hoffnung entscheiden. Die Solidarität mit anderen Menschen ist unser höchstes Gut. Besonders in diesen Zeiten ist unsere Liebe zu unserem Nächsten wertvoller denn je…

„Als diese kleinen schwarzen Hände aus den Fluten des Mittelmeers ragten, mich zwei große schwarze Kulleraugen nach Hilfe anflehten, da begriff ich mein Menschsein und bin dem Herrn jeden Tag aufs Neue dankbar dafür, mich für diesen Weg entschieden zu haben…“

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