Das Eis schmilzt und der Frost weicht. In Scharen fliegen die Stare ein und beziehen ihre angestammten Brutplätze. Es fällt kaum jemanden auf, dass es jedes Jahr weniger Tiere werden. Der Grund dafür liegt im speziellen Nahrungsangebot, und so finden unsere tropischen Sommergäste auf den Feldern immer weniger Mücken und Fliegen, die sie doch zur Aufzucht ihres Nachwuchses so dringend bräuchten. Wer weiß, wie lange die Starenpopulationen noch in dem Ausmaß zu uns kommen, wie wir das eigentlich seit jeher gewohnt waren. Die intensive Landwirtschaft und das Ausbringen neuer Düngepräparate macht ihnen das Leben schwer.
Die ersten Milan-Pärchen kreisen über den Donauauen. Die waghalsigen Flugmanöver, die zum Liebesspiel der anmutigen Vögel gehören, faszinieren den Betrachter. Die schlaksigen Schwingen, der leichte Körperbau und die Leichtigkeit dieses Greifs, sein Spiel mit den Winden, beeindrucken den Laien wie den Fachmann in jedem Jahr aufs Neue.
Auch die Kiebitze geben sich in diesem Jahr in unseren Breiten wieder das gewohnte Stell-Dich-Ein. Mit ihren schwarz-weißen Schwingen vollführen sie wahre Luftakrobatik und bringen den Beobachter immer wieder ins Erstaunen. Der Umstand des Nestflüchters schenkt diesem stolzen Wiesenbrüter die Chance, in unseren Breiten zu überleben, bevor der erste Grasschnitt seine Jungen töten könnte. Anders ergeht es da der Wiesenweihe, deren Jungvögel den ersten Schnitt in ihren Nestern kaum überleben lässt, da diese Vögel mit ihrer einzigartigen Jagdtechnik und ihrem exotisch aussehenden blau-weißen Schwingen, das Nest erst zu spät verlassen und deshalb oftmals der intensiven Landwirtschaft zum Opfer fallen.
Meister Adebar ist wieder da und klappert auf den liebevoll angebrachten Brutvorrichtungen auf den Giebeln von Kirchen, Bauernhöfen, Gasthöfen und Schloten. Mittlerweile müssen wir zwischen zwei Arten von Weißstörchen unterscheiden. Zum einen ist da der Storch, der jedes Jahr im Herbst nach Afrika fliegt, um im Frühjahr wieder zu uns zurückzukehren. Zum anderen gibt es den in Zoos nachgezüchteten Storch, der das Zugverhalten von seinen Elternvögeln nicht erlernen konnte, da es ihm nicht anerzogen wurde. Und so werden viele Störche in unserem Land über den Winter gefüttert, damit sie nicht verhungern.
Ist es nicht ein Trauerspiel, dass nahezu jedes Tier, dass unser Land besucht, ein lebensbedrohliches Schicksal erfahren muss. Sei es im Zugverhalten, sei es in den Zielländern, die sie anvisieren. Das Leben dieser stolzen Tiere gleicht mittlerweile einem Spießrutenlauf zwischen Kriegsgebieten, Chaos und Terror. Unsere Welt hat ihr Gleichgewicht verloren und die Mächtigen dieser Welt diskutieren ausschließlich über die Bedürfnisse ihrer eigenen Spezies, nicht aber über die Bedürfnisse unserer lebenswichtigen und -erhaltenden Umwelt. Dieses Thema wird dem Kapital und den Machtansprüchen Einzelner rigoros untergeordnet. Damit entziehen wir uns selbst unsere Lebensgrundlage und riskieren den Untergang unserer Schöpfung.
Und trotzdem spaziere ich durch unsere heimischen Auen und genieße die letzten Reste unseres Paradieses zwischen Donau, Lech, Wörnitz, Ilm und Altmühl. Ich versuche mich in Ignoranz gegenüber unserem Fortschrittsdenken, da ich an keiner Stelle irgendeinen Fortschritt sehe. Wo soll es denn den auch geben? Ist es etwa Fortschritt, wenn jede Stunde paarweise Jagdbomber über meinen Kopf donnern, oder wenn an keiner Stelle des Himmels ein von Flugzeugen befreiter Platz existiert. Ist es etwa eine menschliche Errungenschaft, wenn jeder Haushalt über mehrere Autos verfügt und wir kaum noch irgendeine Tätigkeit ohne technische Hilfsmittel verrichten und als Lohn dafür körperliche Gebrechen ernten, die dann von einer mafiösen Pharma- und Geräteindustrie retuschiert werden. Fortschritt gibt es nur im dekadenten Wachstumsdenken unserer Gesellschaft, die ihre Rechtfertigung in Zahlen und Zuwachs sieht, nicht aber in der Annäherung an den Herrn zur Rettung unserer Seelen und zur Bewahrung der Schöpfung.
Die ersten Krötenzäune werden bereits aufgestellt, weil der Winter in diesem Jahr so mild war und die kleinen Tierchen den Frühlings- und Fortpflanzungsimpuls einige Wochen früher bekamen. Man muss den Helfern und vielen ehrenamtlichen Freiwilligen ein Riesenlob aussprechen, dass sie sich jedes Jahr für die Krötenpopulation engagieren und Eimer für Eimer mit diesen Tieren über die hiesigen Straßen tragen.
Wie traurig und nutzlos ist unser Sein geworden, dass wir es nur noch über den Materialismus definieren. Wo ist der Gleichklang von Mensch und Natur? Wo ist die Stille und die Ruhe, die wir doch für unsere geistige Regeneration brauchen? Wo sollen wir Luft holen, um uns neu zu erfinden, und um eins zu werden mit den Gewalten unserer Welt? Unser Leben ist ein rein auf Konsum und Verbrauch ausgelegtes, animalisches Etwas, dass im Grunde keinen Sinn macht, wenn wir die Natur nicht als Mittelpunkt unseres Lebens erkennen und gegen den Raubbau und Frevel des Unverstandes verteidigen. Jeder Mensch weiß um die Fragilität unseres Planeten und keiner will der Erste sein, der die Erde schützen und bewahren möchte.
Und so laufe ich an der Donau entlang und schicke meine Gedanken mit dem Strom dahin, auf dass sie Gehör finden in der Gemeinschaft unserer Seelen…
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