DER PREIS DER FREIHEIT

Über Jahrhunderte beutet der Westen die Dritte Welt, die Schwellenländer und die Ärmsten der Armen auf unserem Erdball aus. Es ist uns schier zur Gewohnheit geworden, dass Bodenschätze aus anderen Kulturen und Kulturkreisen geplündert, gebrandschatzt und ganz einfach von uns konfisziert werden. Nun, nachdem die afrikanischen Staaten nahezu ausgebeutet und ausgelutscht am Boden liegen und viele Menschen kaum noch überleben können, da wirbt Europa für größere Anstrengungen der betroffenen Länder, die Menschen durch Investitionen und der Schaffung von Beschäftigung in ihren Heimatländern zu halten. Der Vorstoß jedoch kommt wahrscheinlich um hundert Jahre zu spät. Die Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit der schwarzafrikanischen Bevölkerung hat ein Ausmaß angenommen, dass allein mit Geld nicht geebnet werden kann. Zu viele unterschiedliche, und vor allem kapitalistische Interessen werden jeden Lösungsansatz im Keim ersticken. Schon längst hat ein inhumaner Wettbewerb um die besten Bodenschatzpfründe in Afrika begonnen, bei dem sich China und Indien, die USA und Europa, Russland und der Rest der Welt die Rosinen herauspicken und die verbliebenen Einwohner in Armut und Hunger sich selbst überlassen. Was nützt mir denn der schnellste chinesische Zug in der Wüste, wenn durch den Gemüse- und Obstanbau, der für den Export nach Europa in großem Stil aufgebaut wurde und das überlebenswichtige Grundwasser als unverzichtbare Ressource den Interessen weniger Großgrundbesitzern zum Opfer fiel und den Wasserhaushalt ganzer Regionen zum Erliegen gebracht hat. Freilich, der Verbraucher hierzulande freut sich über die Saisonverlängerung von Erdbeeren… oder Nektarinen und Pflaumen im Winter… – ja, darüber kann man sich freuen – vor allem dann, wenn man sich nicht für die Herkunft der Produkte und für die Zusammenhänge interessiert…

Auf einem eiligst einberufenen Afrikagipfel sollte nun nach einer Lösung gefahndet werden und Europa war mit einer moderat gefüllten Geldschatulle angereist. Die Lösung läge unter anderem in einem Afrika-Fonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro…, so der einhellige Tenor der „Geberländer“. Schon beim Ausspruch der Summe kam unter den Empfängern des Geldes Kritik und Zweifel auf. Als Schreibtischtäter und gut geschulten Theoretiker kann keinem Brüsseler Strippenzieher bekannt sein, dass die angebotenen 3,5 Milliarden bei dem Ausmaß der augenblicklichen Krise nicht einmal einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen, viel schlimmer noch, die Zweckentfremdung dieses Geldes wird auf dem Fuße folgen, es werden sich weitere afrikanische Staaten in Bürgerkriege, Glaubensauseinandersetzungen und Korruption wie Selbstbereicherung verstricken. Die Schuld für das gesamtafrikanische Dilemma liegt in der salonfähigen Ausbeutung des gesamten Kontinents. Was Hänschen einmal gelernt hat, das verlernt Hans nimmer mehr… – und so bedient sich mittlerweile auch das Reich der Mitte an Afrikas Bodenschätzen und sichert sich die Schürfrechte bereits vorausschauend über Jahrzehnte…

Wie schön der neue Schnellzug der Chinesen durch den Tschad braust – das dürften wohl 300 Stundenkilometer sein… Komisch zwar, dass niemand darin sitzt, doch es sieht schön aus… – es hat etwas von Surrealismus! Als Antwort auf das spanische Almeria wurden in Marokko gigantische Obst- und Gemüseplantagen angelegt. Die Verwüstung ganzer Regionen war und ist vorprogrammiert und die ersten Dörfer und Kleinstädte am Rande der Wüsten Marokkos und Algeriens haben bereits kein Grundwasser mehr. Durch den Wegfall der europäischen Milchquoten ist es uns Europäern zudem endlich gelungen, unsere Milchprodukte in großem Stil nach Afrika zu exportieren… Dass dadurch die gesamte Agrarwirtschaft und vor allem der Kleinbauernstand in ausgehebelt wird, das interessiert hierzulande keinen… – Hauptsache billige Milch. Die Chinesen schicken Textilspione nach Afrika, um die innovativen Muster der Näherinnen auszukundschaften. Anhand des Fotomaterials werden diese Muster nach Hause geschickt und industriell in großem Stil kopiert. Als Gipfel der Demütigung werden diese Produkte sogar noch direkt nach Afrika exportiert und den Geschädigten für kleines Geld zum Kauf angeboten.

Wenn wir nach den Ereignissen von Paris und 9/11 über das „Zusammenstehen der westlichen Welt“ und dem „Erhalt unserer Kultur und Lebensart“ sprechen, dann müssen wir aber auch den Umstand berücksichtigen, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung Dritter und vor allem der Dritten Welt fußt. Wir müssen festhalten, dass wir für den Erhalt unserer Werte Kriege anzetteln und finanzieren und dass wir von unserem nicht enden wollenden Konsumanspruch höchst verantwortungslos Müllberge produzieren, die wir dann von den Schwächeren mühsam und völlig unprofessionell entsorgen lassen. Im Grunde produziert unser Kulturkreis und unsere westliche „freie“ Art zu leben unsäglich viel Leid und Müll auf dieser Welt. Dazu kommt, aber das nur am Rande, dass unsere Jugend vor irgendwelchen kommunikativen Digitalknochen dahindümpelt, jeder zweite Superstar der Supertalent werden will, jeder dritte Erwachsene über vierzig mit Depressionen kämpft, an jeder Ecke ein Spielcasino steht und via Internet jeder erdenkliche Porno per Mausklick abrufbar ist. Was das eine oder andere mit Lebenskultur oder Freiheit zu tun haben soll, wird mir wohl den Rest meines Lebens verborgen bleiben…

Um den Problemen auf dieser Welt ganzheitlich zu begegnen und diese eine Welt auch als „Eine Welt“ zu sehen, sollten wir uns als erstes von der alles überragenden Macht des Geldes und des Wachstums verabschieden. Dieser Wachstumsgedanke polarisiert und höhlt uns Menschen kulturell und spirituell aus. Wir kategorisieren uns in Reich und Arm, reißen Gräben zwischen den Kulturen auf und sind angefüttert durch Geld und Macht, nicht mehr in der Lage, mit anderen Menschen oder Kulturen zu teilen. Nun, nachdem sich die Gepeinigten dieser Welt, die unschuldigen Opfer unserer ausbeutenden und raffgierigen Vorgehensweisen, sich wehren, stehen unsere großen Errungenschaften auf dem Prüfstand. Fußballspiele dienen als Terrorbühne, Veranstaltungen jeder Art gelten als Sicherheitsrisiko und die vielen neuen fremdländischen Gesichter in den Straßen und Gassen unserer Heimat erfüllen viele mit Angst und Ohnmacht…

Was aber niemand gerne hört und bedenkt ist, dass für alle Probleme, die wir heute zu bewältigen haben, die Verantwortung komplett in unserer Konsum- und Wachstumsgesellschaft offen verborgen liegen. Ursächlich hat nämlich jeder Einzelne von uns seinen Teil dazu beigetragen. Denn wer sich Ketchup auf seine Pommes drückt, muss wissen, dass dieser aus China stammt. Der Erntetraktor fährt 12 Kilometer in eine Richtung, die Anbauflächen sind durch den Smog der Großstädte hoch belastet – Guten Appetit. Das billige Werkzeug aus dem Baumarkt wurde von Wanderarbeitern in China gefertigt, die ihre Kinder ein einziges Mal im Jahr für eine Woche zu Gesicht bekommen und die Kindsmutter in Bangladesh kam bei der Herstellung unserer Sommer-T-Shirts bei einem Gebäudeeinsturz ums Leben… der Kakao für unsere Schokolade wurde von geraubten Kindern aus Mali geerntet und unsere Milch ist nur deshalb noch billiger geworden, weil die EU mit Afrika neue Absatzmärkte erschlossen hat.

Nun, nachdem wir alle in unserem Wohlstand schier ertrinken, können wir unsere Kultur, unsere Art zu leben, nicht mehr sorgenfrei begehen. Die Gesellschaft ist infiltriert von Andersartigkeit, die Flüchtlingsströme überrollen unseren Kontinent und bei jeder Veranstaltung begleitet uns ein Beigeschmack aus Angst und Sorge. Der Preis für unsere Freiheit ist sehr hoch; wie hoch er ist, das wird sich in Zukunft zeigen…

1 comment on DER PREIS DER FREIHEIT

  1. Sehr geehrter Herr Bremer Dirk,

    ich habe zum ersten Mal Ihre Homepage besucht. Sie sprechen mir aus der Seele.
    Habe gerne Ihre Artikel auf meiner FB Seite geteilt (Johanna la Lobita).

    Mit freundlichen Grüßen
    Johanna Bachhuber
    Rennertshofen-Erlbach

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