DIE SACHE MIT DEM DORF(LEBEN)

Eine ganz Nationschreit nach dem „schnellen Internet“ und möchte, dass diese hohe technische Errungenschaft überall in unseren Wohnstuben und in unseren Alltag Einzug hält. Derweil spricht mich in einer Autowerkstatt ein 80jähriger Bürger an:

„Sind Sie vom TÜV?“

Ich verneine.

„Sind Sie aus unserem Dorf?“

Ich sage ihm, dass ich Kfz-Teile verkaufe und deshalb die Werkstatt (also den Sepp oder Franz) besuche….

„Ja wissen Sie.Ich wohne hier schon mein ganzes Leben, ..aber ich kenne niemanden mehr. Und es ist auch niemand mehr auf der Straße. Früher standen Bänkchen an der Straße und die Leute saßen darauf und begrüßten sich und es gab in jeder Woche mehrere Anlässe, wo man sich austauschen konnte…“

Der alte Mann redete weiter und weiter und gleichzeitig tippte er mir nach jedem fünften Satz mit dem Hacksteckerl an die Schulter. Ich ertrug es gerne,während in meinem Kopf die Gedanken kreisten…

Wir sprechen davon, dass der ländliche Raum „digital abgehängt“ wäre… Ich glaube, der ländliche Raum, und nicht nur der, ist/sind komplett human und sozial abgehängt – nicht jede Technologie gedeiht uns zum Vorteil…

An den hiesigen Stammtischen erfahre ich, dass die Dorfgemeinschaft gesellschaftlich immer weiter auseinanderdriftet. Jeder denke nur an sich selbst und hebt einen Graben nach dem anderen unter- und zwischen einander aus.

Am nachfolgenden Morgen bekommt meine Wohneinheit „schnelles Internet“ und die Kinder sitzen wie Geier um den Techniker herum und testen wie bezahlte Probanden ihre Smartphones, während sie ohne Augenkontakt über die digitalen Möglichkeiten diskutieren. In meinem mittelmäßig fortgeschrittenen Alter wird mir ganz mulmig angesichts der Tatsache,dass ich eines Tages niemanden im Dorf mehr kennen könnte und alle jüngeren Generationen mich eher nur als konsumierenden Ausschuss neben sich dulden mit dem Endziel „Abschiebung“ aus der Dorfmitte und ab ins Heim…

Das Schlimmste für mich als Mensch ist das Gefühl, erdrückt zu werden und nicht mehr wissen „Wohin?“. Wohin sollte man in dieser unmenschlichen Zeit gehen. Sollte man es machen wie der Sohn – mit einem Jahrestrip nach Neuseeland… oder sollte man wieder, wie schon in meinem menschlichen Mittelalter praktiziert, wieder und wieder die Ortschaften wechseln.. – ständig und immer auf der Suche nach etwas„Neuem“, wo es doch in jedem Dorf und in jeder Stadt „gleich“zu sein scheint.

Die Wurzeln tragen wir in uns selbst – egal an welchen Ort wir gelangen. Je stärker sie sind, desto eher sind wir in der Lage, selbstbewusst und solidarisch mit anderen zu sein und zu handeln.

Die Herausforderungen für unser Leben, für unsere und der eigenen Kinder Zukunft, scheinen gigantisch und kaum bewältigbar. Dabei istes aber nicht so schwer wie es scheint. Es ist nur diese suggerierte Kleinsicht und die Verführung des immer Neuen, dass uns der Wahnsinn der Digitalität beinahe sekündlich aufs Auge drückt und unsereklare Perspektive vernebelt. Es ist, so meine ich, nicht gewollt,dass das Netzwerk durchblickt wird und dass die klare Absicht hinter allem erkannt wird. Hinter allem steckt ein wirtschaftlicher Gigantismus, der zwar Arbeitsplätze und Umsatz schafft, aber den einzelnen Menschen selbst ausgrenzt und im Endstadium dann komplett im Stich lässt und entsorgt.

Mein Dorfleben jedoch soll, und das entscheide ich für mich persönlich, anders verlaufen. Der 80jährige Mann, der ich eines Tages selber sein werde, hat mich eines gelernt. Wir müssen Orte der Begegnung schaffen. Wir müssen ein Bewusstsein erschaffen, dass es uns wieder erlaubt, unser Bänkchen auf die Straße zu stellen, um zu sehen, was sich tut, was sich bewegt, und wer daherkommt. Nicht einen einzigen Ort der Begegnung dürfen wir dem „sogenannten digitalen Fortschritt“ zum Fraß vorwerfen. Orte wie die Kirche, ein Kindergarten, ein Dorfladen; Veranstaltungen wie Faschingsbälle, Sylvesternächte und Böllerschützen-Treffen, sind das Lebenselixier der Dorfgemeinschaft. Wir sind aufgerufen, die Digitalisierung auf das zu reduzieren was es ist – ein schlichtes Werkzeug. Sie ist nämlich höchstenfalls ein Medium, ein Hebel zur Generierung von Geld und zur Erlangung von Informationen. Unsere eigene Welt und Wahrnehmung direkt vor der Haustüre braucht das aber nicht prioritär und zwingend. Was wir brauchen ist die Gabe zuzuhören und aufeinander zuzugehen. Wir müssen den Lärm und den Straßenlärm von uns fernhalten wo wir können. Wir müssen um jeden Hektar Landkämpfen, der an ruchlose Kapitalisten verkauft werden sollte. Wir müssen jede Idee für unser Dorf bis ins Detail anschauen und auf ihre Tauglichkeit prüfen, ob sie dem Wohl der Gemeinschaft dient oder nicht.

Wenn ich in 30 Jahren durch „mein Dorf“ laufe, dann möchte ich stolz sagen können:

„Ich habe alles unternommen, dass sich ein jeder hier wohl fühlt – Servus Franz, Griaß Di Paul, Hallo Annegret – wie geht’s denn so?“ In meiner Tasche kein Smartphone, sondern eher eine Dose Tabak, eine Pfeife und ein Fernglas.., vielleicht sogar einen Fotoapparat, weil unsere Heimat die schönste auf der Welt ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert