Nach dem längst überfälligen Rückzug der Kanzlerin aus der Spitze ihrer Partei, bietet sich auf Regierungsebene eine neue Möglichkeit der Zusammenarbeit. Mit neuem Führungspersonal versucht nun, die „zweite Reihe“ die Wiederbelebung des erkrankten Patienten CDU.
Wohlgemerkt, wir reden von der Wiederbelebung der CDU; nicht von der Reanimation der SPD oder etwa der CSU; nein, davon reden wir wahrscheinlich erst, wenn es zu spät ist.
Denn tatsächlich macht Angela Merkel den Weg frei, ohne dabei auf ihre Kanzlerschaft verzichten zu wollen. In meinen Augen, und wohl auch in den Augen der Öffentlichkeit, sieht das aber anders aus. Einen personellen Neuanfang kann es nur geben, wenn beide Ämter fallen… – ein Klammern an die Kanzlerschaft wird nur eines zur Folge haben, dass die sogenannte „Sacharbeit“ wieder in den Hintergrund abdriftet und sich die politische Debatte bis zum Jahresende nur noch um Kandidatenkür für den CDU-Vorsitz und um die Kanzlerfrage dreht…
Dieser grausige Mix kann der SPD, die augenscheinlich ein Problem mit der Darstellung ihrer aus ihrer Sicht „erfolgreichen Arbeit in der GroKo“ kämpft, nicht aus der Umfragekrise helfen. Schon gar nicht, wenn man wieder und wieder in der medialen Wahrnehmung der Öffentlichkeit schlichtweg untergeht. Schon wieder geht das Profil flöten, und statt den Personaltausch an der Spitze der Konservativen zur letzten Konsequenz, dem Austritt der SPD aus der Regierung, zu nutzen, verordnet man sich eine Rosskur, die Merkel mit ihrem 50%igen Rücktritt den Genossen aufs Brot gestrichen hat. Andrea Nahles begreift den Rückzug der Kanzlerin vom Parteivorsitz als Chance, das Profil der eigenen Partei innerhalb der GroKo zu schärfen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Die Öffentlichkeit sieht aus den beiden Wahlen in Bayern und Hessen einen klaren Wahlsieger, und der heißt Grün… Mit im bürgerlichen Aufwind saugt sich die FDP wieder in Regierungsnähe an und wartet scheinbar auf die richtige Gelegenheit, um den „Sauhaufen da oben“ zu übernehmen. Und richtig wäre das. Schon bei der Bundestagswahl vor einem Jahr entschied sich die Bevölkerung auf Nachfrage für eine Jamaika-Koalition, die aber im Nachgang am Nein der Liberalen scheiterte… Was folgte war das „Ausschaufeln“ einer eigenen Grabstätte für die deutsche Sozialdemokratie (Bestatter Steinmeier machte es möglich…).
Den Bürgern unseres Landes fehlt nicht nur Profil in den beiden, mittlerweile bedenklich zusammen geschrumpften Volksparteien, sondern zudem das Erzeugen und Umsetzen eines Aufbruchs in schwierigen Zeiten. Diese fehlende Vision wird ihre Opfer suchen und finden. Wer den Debatten und Diskussionen um Deutschland folgt, der kann unschwer erkennen, dass sich die Politik der Zukunft nicht an politischen Lagern festmachen lässt. Nein, die Menschen unterliegen emotionalen und ganz pragmatischen Strömungen. Ob einseitige Belastung durch die EEG-Umlage oder der derzeit sehr hohe Energiepreis, explorierende Mieten, fehlende Kita-Plätze und katastrophale Wohnraumsituation – was hilft da den Menschen das Gerede von „Guter Kita“ oder die „Parität bei der Krankenversicherung“ – die Bürger fühlen sich in ihrer Haut nicht mehr wohl und ersticken in Kosten, mieser Rentenaussichten und Abzocke bei der Vermietung von Eigentum. Niemand in der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte vermag es, den Bürgern Linderung in Aussicht zu stellen und sie von ihren Alltagssorgen zu entlasten. Am Wenigsten wird das den Sozialdemokraten zugetraut, die schließlich und endlich für die heutige Misere durch das Mitmachen in der GroKo auch absolut berechtigt mit verantwortlich gemacht werden.
Paradox ist, dass der Mann, dem die Hauptverantwortung für die schlechten Wahlergebnisse zugeschrieben werden muss, immer noch nicht an Rücktritt denkt (bei Drucklegung unseres Magazins war Seehofer noch im Amt / Anm. d. Red.). Das Resultat der Ignoranz wird sein, dass der Abtritt Seehofers in keinem Falle selbst gewählt ist und mit Sicherheit auch persönlich weh tut… – Chance verpasst eben.
Wenn Andrea Nahles meint, dass ihre GroKo durch den Teilrückzug der Kanzlerin in ruhigeres Fahrwasser käme, sieht sich getäuscht. Genau das Gegenteil wird der Fall sein. Die Union wird sich genau wie in den letzten Monaten nur mit sich selbst beschäftigen, derweil die SPD die „Sacharbeit“ leistet, die keiner so wirklich mitbekommt. Somit sind auch die Erfolge sozialdemokratischer Politik für den einzelnen Bürger nicht greifbar. Das gesamte Politspektrum wird sich mit der Nachfolgefrage der Kanzlerin und mit der Erneuerung der konservativen Kräfte in unserem Land befassen. Was nach der Renaissance von CDU und CSU von der SPD übrigbleibt, kann man dann getrost als „Vogelschiss“ in der Parteienlandschaft bezeichnen. Ob die mangelnde Zustimmung für die Sozialdemokratie dann gerechtfertigt ist oder nicht, das spielt dann keine Rolle mehr. Doch wer die Zeichen der Zeit nicht versteht oder diese falsch interpretiert, der hat dann auch kein Mitleid verdient. Meines Erachtens wären nun andere Kräfte an der Reihe, Deutschland zu regieren. Die CDU hat den Anfang gemacht. Die Grünen und die FDP sollten mit in die Verantwortung genommen werden.
Und die AfD… – die kommt in dieser Kolumne nicht vor – mit was auch – bei nur einem Thema ist das wirklich schwer…
Einen schönen „leider grauen“, aber politisch äußerst lebendigen November wünscht Euer
Bernd Bredendiek
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