ZEIT ZUM INNEHALTEN!

Als Henry David Thoreau Mitte des 19. Jahrhunderts in den Wald ging, weil ihm die Kommune sein Talent nicht bezahlen wollte (er wusste an welchem Platz Steine liegen müssten), war man versucht zu sagen, dass das ja nicht die Aufgabe der Kommune sei… Bei genauerem Überlegen und Hinlesen jedoch muss festgestellt werden, dass Thoreau in seinem ‚Walden‘ mit seiner Forderung durchaus im Recht war – schließlich liegen ganz viele Steine an falschen Plätzen; genauso viele wohl wie Personen in falschen Berufen und Berufungen… In jenem Roman schildert der Autor, dass man ihn als Schriftsteller nicht leben ließe und er assoziierte das Legen der Steine mit dem Verfassen von Texten, was aber im Endeffekt auf dasselbe herauskam. Der Künstler zählt im Lande nicht, wenn er sich nicht anpasst oder es versteht gänzlich anders und provokant zu sein. Im Falle Thoreaus war die daraus erwachsene provokante Konsequenz in den Wald zu ziehen goldrichtig und verhalf ihm zum späteren schriftstellerischen Erfolg. Die Erkenntnisse aus ‚Walden‘ sind vielfältig und reichen von der Erfahrung, aus Überzeugung und Faulheit Vegetarier zu werden, bis hin zu dem Beweis, dass der Staat die Entscheidung, sich von der Gesellschaft durch Eremiten-Dasein zu distanzieren, nicht toleriert und sogar strafrechtlich verfolgt. Thoreau unterstellte dem Gesetzgeber zurecht, dass dieser der einzige war, der ihm etwas Böses wollte – in dem er ihn, als er innerhalb seiner zwei Jahre Einsamkeit ein Dorf besuchte, um Geschäfte zu erledigen, verhaftete und aufgrund nicht entrichteter Kopfsteuer für mehrere Wochen ins Gefängnis sperrte. Sein Fazit: Der Staat ist dein Feind – also sei wachsam (er geht in seinem Disobedience noch weiter auf dieses Thema ein)!

Das neue Jahr läuft an und mit diesem Jahr wieder die Gewissheit, dass uns das 90prozentige Glücklichsein wahrscheinlich gar nicht ausreicht, da ja die 10 Prozent Unglück unseren Alltag zu 100 Prozent bestimmen. Es interessiert nicht was wir haben, sondern grundsätzlich immer was uns fehlt – um es einmal auf den Punkt zu bringen. Wagen wir einen Vergleich: Wie glücklich ist ein Flüchtling, woher auch immer, der es bis in unsere Breiten geschafft hat, dass er sein Leben rettete, im Gegensatz zu uns selbst, die wir sofort um unser Hab und Gut fürchten, nur weil ein Esser mehr am Tisch sitzen könnte – Pegida lässt grüßen. Ist es nicht dass Geben und das Helfen, dass uns mit unseren Mitmenschen verbündet. Diese Verbindung gibt uns ein Gefühl der Ausgeglichenheit, der Warmherzigkeit und beseelt unser Tun. Es verringert unsere Selbstsucht und drängt eigene Sorgen und Ängste in den Hintergrund, weil durch das Geben und Helfen die Zeit zum Grübeln fehlt. Den ganzen lieben langen Arbeitstag sehnen wir uns danach endlich Feierabend zu haben. Und ist der Feierabend dann da, dann wissen wir nichts damit anzufangen und geben uns dem Grübeln hin. Wahnwitzige Gedanken an den vergangenen Arbeitstag erfüllen unser Nichtstun und wir befördern uns in ein Dilemma, das wir uns selbst erschaffen… – und schauen schon mit Sorge und Angst auf den nächsten Arbeitstag, statt den ersehnten Feierabend zu genießen. Wie wichtig wäre es gerade jetzt, jetzt am Feierabend, seinem Leben einen Sinn zu geben – an diesem und jedem Feierabend, nach dem wir uns doch jeden Arbeitstag so sehnen…

Ist es nicht so, dass wir unsere Sehnsüchte erfüllt sehen möchten. Das geht in einer zunehmend digitalen Welt immer schwerer. Die Beziehungen werden immer oberflächlicher… Zwischen WhatsApp und Facebook finden kaum noch vertrauensvolle Gespräche statt, weil man schier niemanden mehr vertrauen kann – weil man nicht weiß, ob das alles auch in einem bestimmten Rahmen bleibt. Und da kommt wieder Thoreau ins Spiel, der in ‚Walden‘ die These aufstellt, dass man sich besser zuhört, wenn man weiter voneinander entfernt sitzt…; und dass eine Freundschaft mehr Intensität besitzt, wenn man sich nicht ständig sieht…

Es ist ganz erstaunlich, dass Literatur, die so weit zurückliegt, doch so aktuelle Thematiken hat und behandelt. Mein Rat für das Neue Jahr – lassen Sie sich mehr Zeit – seien Sie fröhlich – und helfen Sie anderen Menschen; dann brauchen Sie sich um sich selbst, Ihre Familie und Ihre Zukunft keine Sorgen zu machen.

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